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Weisst du, wie viel Zweigelts stehen?

Josef Umathum macht sich daran, Österreichs Nationalsorte eine wissenschaftliche Identität zu verleihen
aus der Standard v. 24.12.99

Sein Großvater, erzählt Josef Umathum, hätte früher auch schon immer die besten Stöcke markiert und per Edelreiser vermehrt. Selektion nennt man diese Methode der betriebseigenen Rebstock-Erzeugung, und die Arbeit tut sich heute kaum noch wer an. Bestellung per Fax und In-Time-Lieferung von der Rebschule, so sieht das heute aus.

Dabei gehe da unheimlich viel Identität und Erb-Information verloren, erklärt der Rotwein-Star, denn Rebstöcke passen sich innerhalb von 20 bis 30 Jahren an ihre Umgebung an, lernen mit der Trockenheit oder dem Frost der jeweiligen Lage zu leben, entwickeln Abwehrkräfte gegen Schädlinge und Krankheiten. Nur heißt das eben, dass ein Weinstock, der hier großartige Ergebnisse erbringt, dort noch lange nicht genauso super sein muss, „das ist ja das Fatale: Da fahren die Winzer ins Burgund, trinken dort tolle Weine, nehmen sich Edelreiser mit ins Burgenland und glauben, dass das da auch passen muss“. „Um mich von der Konkurrenz mehr abzuheben, unnachahmbar zu sein“, aber auch aus wissenschaftlicher Neugier markierte Umathum also vor drei Jahren so wie sein Großvater die besten Zweigelt-Stöcke in seinen Weingärten: jene, deren Beeren am kleinsten waren, die dicksten Schalen hatten und am lockersten waren, jene, deren Trauben am gleichmäßigsten reiften, die schwachwüchsigsten und die, die kaum Geiztriebe ausbildeten, allesamt 35 Jahre alt.

Diese so genannten „Mutterstöcke“ wurden dann im Bundesamt für Weinbau in Eisenstadt von Helmut Gangl auf diverse Krankheiten hin untersucht, von den gesunden Exemplaren Edelreiser genommen, aus denen dann durch Veredelung „Klone“ gemacht wurden. Sieben Mutterstöcke, die mit den Frauenkirchner Bedingungen am besten zurecht kommen, wurden auf diese Weise 60-fach geklont.

Und in Zusammenarbeit mit einer ansässigen Rebschule soll das in den nächsten Jahren daraus reichlich Rebmaterial für Zweigelt-Weingärten ergeben, deren Trauben dann weniger leicht faulen, dem Frost besser widerstehen können, schädlingsresistenter sind und vor allem mehr der von Josef Umathum so geschätzten dunklen, überreifen, erdigen, wildkirschigen Aromen enthalten. Mit einem ähnlich geartetem St. Laurent-Projekt wird demnächst begonnen. Die Weine, die aus diesen Zweigelt-Klonen nächstes Jahr per „Mikrovinifikation“ gewonnen werden, stehen für den Genuss übrigens nicht zur Verfügung, auch wenn das die vielen Umathum-Fans zutiefst bedauern werden. Die pro Klon je 100 Liter werden zur weiteren Beobachtung in Flaschen mit Schraubverschluss (keine Korkfehler-Gefahr!) abgefüllt werden.

In der ganzen Welt wird auf dem Sektor der Erforschung, Dokumentation und Auswahl der Klonen viel geforscht, in der Toskana nahm man sich den Sangiovese vor, in Kalifornien den Zinfandel, in Deutschland den Riesling. In Österreich, wo vom Grünen Veltliner eine Vielzahl von teilweise uralten Varietäten existiert, die erfasst, vermehrt, an den jeweils idealen Stellen ausgesetzt werden und damit als Gen-Material erhalten werden könnten, ist das die Sache von Privatinitiativen. Aber vielleicht ist das auch besser so.